Jeder von uns kennt Schmerzen – und zwar viele unterschiedliche Arten: Den plötzlich auftretenden Schmerz, wenn man beim Laufen umgeknickt ist. Quälende Zahnschmerzen, die uns die ganze Nacht wachhalten können. In diesen Fällen handelt es sich um akute Schmerzen: Sie treten recht plötzlich auf und erfüllen die wichtige Aufgabe, unseren Körper vor einer drohenden oder bereits eingetretenen Schädigung oder Überlastung zu warnen. Der Schmerz, den wir empfinden, wenn wir versehentlich auf eine heiße Herdplatte fassen, sorgt dafür, dass wir unsere Hand schnell zurückziehen und sie damit vor einer ernsthaften Verbrennung bewahren. Auch sind akute Schmerzen oft wegweisend, um eine Erkrankung zu diagnostizieren und rasch die notwendige Behandlung einzuleiten – so ist zum Beispiel bei einer Blinddarmentzündung eine baldige Operation erforderlich. Wird die Therapie korrekt durchgeführt, ist die Schmerzursache in den meisten Fällen relativ schnell behoben und die Schmerzen sind schon bald vergessen.
Was ist bei chronischen Schmerzen anders?
Viele Menschen kennen jedoch auch Arten von Schmerzen, die sich nicht so einfach behandeln lassen. Jahrelang bestehende Rückenschmerzen, die trotz zahlreicher Behandlungsversuche mit Medikamenten, Spritzen oder sogar Operationen einfach nicht – oder nicht dauerhaft – verschwinden wollen. Schmerzen in nahezu allen Körperregionen beim Fibromyalgiesyndrom. Schmerzen, die länger als 3-6 Monate anhalten bzw. die immer wiederkehren, bezeichnet man als chronische Schmerzen. Aus chronischen Schmerzen kann sich eine chronische Schmerzkrankheit mit eigenem Krankheitswert entwickeln. Die „Warnfunktion“ im ursprünglichen Sinne – d. h. als Schutz vor einer akuten Schädigung des Körpers – ist verloren gegangen.
Warum werden manche Schmerzen chronisch?
Doch auch chronische Schmerzen warnen uns: Häufig bestehen Belastungsfaktoren, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Schmerzerkrankung beteiligt sind, ohne dass wir diesen Zusammenhang auf Anhieb erkennen. Neben körperlichen Ursachen spielen psychische und soziale Faktoren bei chronischen Schmerzen eine wichtige Rolle: Ängste und Depressionen begünstigen eine Ausbreitung der Beschwerden, während die ständigen Schmerzen wiederum zu Niedergeschlagenheit und Angst führen. Auch das familiäre und berufliche Umfeld spielt eine Rolle: Konflikte in der Familie oder am Arbeitsplatz, finanzielle Sorgen oder kritische Lebensereignisse verursachen Stress, der das Auftreten und Fortbestehen chronischer Schmerzen begünstigt. Doch auch Aspekte, die auf den ersten Blick positiv erscheinen, können leider zur Aufrechterhaltung der Schmerzen und des dazugehörigen Schmerzverhaltens beitragen: Wer bedingt durch seine Schmerzen besonders viel gut gemeinte Zuwendung erhält und von unangenehmen Verpflichtungen (z. B. bestimmten Tätigkeiten im Haushalt oder am Arbeitsplatz) entbunden wird, erfährt schmerzbedingte Vorteile – und die stehen einer erfolgreichen Schmerzbewältigung im Wege. In den meisten Fällen ist dies aber weder uns noch unseren hilfsbereiten Freunden oder Familienmitgliedern bewusst. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen – als Betroffener und als Angehöriger. Eine Grundregel könnte lauten: Nur so viel Unterstützung in Anspruch nehmen, wie nötig ist. Denn es fühlt sich langfristig viel besser an, sein Leben (weitgehend) selbst in die Hand zu nehmen.